WERKRAUM AUGSBURG

eine neue Gemeinschaftswerkstatt für Augsburg

Der Werkraum liegt etwas versteckt zwischen alten aber gepflegten Industriegebäuden im Ausgburger Martinipark. In dem schönen Klinkerbau mit hohen Decken und großen Fenstern war früher eine Produktionsstätte für Putzutensilien. Der Werkraum besticht deshalb, außen wie auch innen, mit genau jenem industriellen Charm....


Über Oliver vom HEI München erfuhr ich vor einigen Wochen über das noch recht frische Werkstattprojekt Werkraum in Augsburg. Nach einem Blick auf die Website war sofort klar: da sollte ich als nächstes hin. In Erwartung auf eine Seite à la Werkstattchoas, strahlten meine Gestalter-Augen direkt, als ich dort den sehr gelungenen Internetauftritt und die klare CI sah. Das kommt im Milieu der Maker und Macher tatsächlich eher selten vor. Ob das nun wirklich schlimm ist oder nicht, sei dahin gestellt, schließlich geht es um die Sache an sich. Aber beim Werkraum sitzen, neben vielen jungen Leuten anderer Disziplinen, eben auch Web-, Kommunkations- und Interactiondesigner mit im selbstgezimmerten Boot. Damit hatten sie mich zumindest sofort überzeugt. Als Jahresauftakt meiner Werkstattreisen 2016 ging es also nach Augsburg. Als ich am Freitag gegen 19.00 Uhr das ehemalige Textilfabrikareal erreichte, musste ich den Werkraum erstmal suchen. Er liegt etwas versteckt zwischen alten aber gepflegten Industriegebäuden im Martinipark. In dem schönen Klinkerbau mit hohen Decken und großen Fenstern war früher eine Produktionsstätte für Putzutensilien. Der Werkraum besticht deshalb, außen wie auch innen, mit genau jenem industriellen Charm. Als ich eintrat, landete ich direkt im Material-Chaos. Neben einer riesigen Putz-Stoffrolle, welche die Vorbesitzer zurück gelassen hatten und halbfertig gebauten Tischen fand ich den Empfangsbereich. Im Werkraum ist eben alles noch im entstehen. Erst Mitte 2015 hatte er sich in die Räumlichkeiten eingemietet und im Oktober bereits zum ersten mal seine Tore geöffnet. Seither hat sich schon wieder viel getan. Mit den alten Fenstern der Außenmauern wurden Trennwände eingezogen, um Metall-, Holz-, Schmuck-, Foto-, Textil- und Kinderwerkstatt voneinander abzutrennen. Ganz offensichtlich wird hier mit einem hohen Grad an Perfektion und Professionalität gearbeitet. Nach dem Motto: wenn machen, dann richtig und für einen langfristigen Gebrauch. Aus Holzbalken und Rigipsplatten gebaut, ragen die neuen Wände jetzt bis unter die ca. 4 Meter hohe Decke. Mir gefällt dabei besonders die durch die Fenster erzeugte Verbundenheit der Räume. Die Gesamtflächen von ca. 500qm wirkt dadurch noch großzügiger. Wo jetzt noch viel Krempel ohne endgültiges zu Hause herumsteht, soll eine offene Multifunktionszone für Vorträge, Versammlungen und die Endmontage von größeren Projekten entstehen. Bei den teileingerichteten Werkstatträumen ging es da schon ein bisschen geordneter zu. Die verschiedenen Fachbereiche sind auch schon richtig gut bestückt. Die Holzwerkstatt ist beispielsweise mit einer großen Altendorf Kreissäge, einer Hobelmaschine, einer Ständerbohrmaschine, Schleifmaschinen und vielen anderen Kleingeräten ausgestattet und bietet ein paar Arbeitsplätze an selbstgebauten Werkbänken. Insgesamt ist im Werkraum, wie sich das für eine offene Werkstatt eben so gehört, sehr viel selbstgebaut. Von Schleifmaschinen, über Regalkonstruktionen, bis hin zu Tischen für die Kinderwerkstatt ist hier vieles Marke Eigenbau. Und trotz der vielen kleinen Lösungen gibt es immer noch eine lange Liste an Dingen, die getan werden müssen, bis irgendwann alles seinen Platz gefunden hat. Um die Bearbeitung dieser Liste kümmern sich peu à peu freiwillige, engagierte Helfer in ihrer Freizeit. Das Projekt Werkraum lebt alleine vom Eifer und den starken Nerven dieser ehrenamtlichen Tuer und Macher. Jeder sucht sich immer wieder neue Aufgaben, und so entsteht auf einem schweißtreibenden Weg des Selbermachens ein großartiges Kultur- und Freizeitangebot für alle Augsburger Handwerksinteressierten. Dafür erhielt der Werkraum sogar gleich zu Beginn seines Bestehens den Augsburger Zukunftspreis 2015. Zurecht, wie ich finde. All das erfuhr ich von Bianka, eine der GründerInnen des Werkraums. Die dreifache, und dafür unfassbar jung aussehende Mutter hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Wie sie es neben Teilzeitjob, Ehe, Haus und Kindern auch noch geschafft hat den Werkraum mit aufzubauen, all das hier mit zu koordinieren und zu organisieren, schien ihr wohl selbst ein Rätsel zu sein. Man sieht es dem Werkraum und den Initiatoren an: hier wurde und wird viel Zeit und Arbeit investiert! Doch trotz der Mehrfachbelastung nahm sich Bianca sehr viel Zeit für mich, führte mich durch die verschiedenen Werkstätten, erzählte mir von den vielen tollen Zukunftsplänen und beantwortete all meine Fragen rund um die Werkstatt. Im Gespräch offenbarte sich ihr vielschichtiges Interesse und ihre Begeisterungsfähigkeit für allerlei Dinge. Diesen Enthusiasmus und die Offenheit gegenüber Neuem sehe ich als perfekte Voraussetzung für einen kreativen Ort wie dem Werkraum. Ich konnte sie auch sofort für die Schnittstelle des Designs begeistern. Wie ich, sieht sie geleitete Workshops als optimalen Einstieg in die Welt des Selbermachens. Sie erkennt die Notwendigkeit, gezielt jüngere, designaffinere Menschen mit gestaltungsorientierten Workshops in das Werkstattumfeld zu locken. Sind sie erstmal da, kann auch ohne Initiativ-Idee die Kreativität anfangen zu sprudeln, und die Eigenproduktion kann beginnen.

 

Der Veranstaltungskalender des Werkraums ist bereits jetzt mit vielen phantastische Workshops vollgepackt. Am Sonntag fand der Messer Workshop von Jürgen Sander statt, den ich am liebsten gleich selber belegt hätte. Leider blieb es zunächst nur bei ein paar Fotos, die ich von den Kursteilnehmern machen konnte, während in der Metallwerkstatt die Messerfunken von den Schleifmaschinen flogen. Aber die Möglichkeit für die Anfertigung eines eigenen Messer ergibt sich bestimmt noch. Pläne für einen weiteren, vielleicht sogar mehrwöchigen Besuch meinerseits gibt es auf jeden Fall! Ich habe noch ein bisschen was vor im dem Werkraum...

 

 

- Nina

 




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